Kapitalismus verstehen: Wie er funktioniert und warum der Staat Wirtschaftswachstum braucht
- Genug ist Genug Team
- 10. Jan. 2024
- 11 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Mai 2024

Hast du dich schon einmal gefragt, warum einige Menschen reich sind, während andere kaum über die Runden kommen? Oder wie es dazu kam, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der die Politik bei der Bewältigung vieler gesellschaftlicher Probleme gnadenlos versagt? Dieser Artikel gibt dir Antworten auf diese und andere Fragen. Finde heraus, warum Kapitalisten überhaupt Gewinn machen müssen, und warum der Wettbewerb auf dem Markt für unendliches Wirtschaftswachstum sorgt. Lerne die grundlegenden Regeln des Kapitalismus kennen und verstehe, wie er unser Leben beeinflusst.
Inhalte im Überblick
Warum betreiben die Menschen Wirtschaft?
Was ist die Aufgabe eines Wirtschaftssystems?
Was ist das Besondere am kapitalistischen Wirtschaftssystem?
Die Geschichte des Kapitalismus: Wie die heutige Klassengesellschaft und das Privateigentum entstanden
Warum Arbeiter:innen Mehrwert erzeugen und Kapitalist:innen Gewinn machen müssen
Der Wettbewerb auf dem Markt senkt die Verkaufspreise
Wie die Konkurrenz auf dem Markt die gesamte Produktion beeinflusst
Der Markt sorgt für unendliches Wirtschaftswachstum
Warum der Wettbewerb auf dem Markt die wirtschaftliche Unsicherheit von Angestellten erhöht
Warum Kapitalist:innen bestimmen, wie die Bevölkerung lebt
Die Zerstörung unserer Lebensgrundlage durch Marktkonkurrenz und Profitstreben
Weshalb der Staat finanziell vom Wirtschaftswachstum abhängig ist
Die Investitionsfreiheit der Kapitalist:innen: Wenn sie wollen, wächst die Armut
Warum der Kapitalismus undemokratisch ist und allein die Wirtschaft politische Macht hat
Wie kann ein besseres Leben trotz Kapitalismus möglich werden
Das kannst du tun
Warum betreiben die Menschen Wirtschaft?

Für ihr tägliches Leben sind Menschen auf unterschiedliche Waren und Dienstleistungen angewiesen. Dazu zählen zum Beispiel Essen, Wohnraum, Gesundheit, Mobilität oder auch Gebrauchsgüter wie Kühlschränke und Freizeitartikel. [1] Um überhaupt Lebensmittel produzieren zu können, Krankheiten zu heilen oder sauberes Trinkwasser zu haben, sind wir Menschen außerdem von einer intakten und vielfältigen Natur abhängig. [2]
Da die menschlichen Bedürfnisse grundsätzlich unbegrenzt sind, [3] die Ressourcen der Erde endlich und jede Nutzung von natürlichen Ressourcen mit Emissionen und anderen negativen Auswirkungen auf die Umwelt verbunden sind, [4] müssen Menschen wirtschaftliche Entscheidungen treffen. [1]
Was ist die Aufgabe eines Wirtschaftssystems?

Sollen wir den begrenzten Boden für die Produktion von Lebensmitteln, Wohnraum oder Naturschutz nutzen? Wer wird mit der Herstellung der Güter und Dienstleistungen beauftrag? Wieviel sollen wir produzieren? Wie werden die hergestellten Produkte innerhalb der Gesellschaft verteilt? [1]
Die Aufgabe eines Wirtschaftssystems ist es, diese und andere Fragen zu beantworten und durch planvolle Tätigkeiten, die Bedürfnisse der Menschen, unter Berücksichtigung der knappen natürlichen Ressourcen, zu befriedigen. [4, 5, 6]
Was ist das Besondere am kapitalistischen Wirtschaftssystem?

Der Kapitalismus ist eine besondere Art die Produktion und Verteilung von Waren und Dienstleistungen in der Gesellschaft zu organisieren. Dabei spielt der Markt als zentrales Steuerungselement wirtschaftlicher Prozesse eine tragende Rolle. Damit das System funktioniert, musste die Bevölkerung in zwei Gruppen aufgespalten werden: eine kleine Gruppe von Kapitalist:innen auf der einen und eine große Gruppe von Arbeiter:innen auf der anderen Seite.
Die Entscheidungen über die Produktion von Gütern liegen in den Händen von Privatpersonen, die im Besitz von Landflächen, Maschinen oder Unternehmen sind. Diese werden auch als Kapitalist:innen bezeichnet. Die Kapitalist:innen bestimmen nicht nur, was und wie viel produziert wird, sondern auch die Produktionsmethode. Ihr einziges Ziel ist es, die Produkte auf dem Markt gegen einen möglichst hohen Gewinn zu verkaufen. Dabei bleiben sowohl der Staat als auch die (demokratische) Mehrheit der Gesellschaft von diesen Entscheidungen ausgeschlossen.
Da die Mehrheit der Menschen weder Unternehmen besitzen noch über anderes nennenswertes Vermögen verfügen, sind sie darauf angewiesen, ihren Lebensunterhalt als Arbeitnehmer in den Betrieben der Kapitalisten zu verdienen. Dies ist für sie der einzige Weg das nötige Einkommen zu erzielen, um ihre Bedürfnisse durch den Erwerb von Gütern auf dem Markt zu stillen. [7]
Die Geschichte des Kapitalismus: Wie die heutige Klassengesellschaft und das Privateigentum entstanden

Die weit verbreitete Annahme, der Kapitalismus sei ein Ausdruck menschlicher Natur ist falsch. Ein Blick in die Geschichte der letzten drei bis fünfhundert Jahre zeichnet ein anderes Bild. Es zeigt sich, dass der Kapitalismus eher das Ergebnis zahlreicher zufälliger Ereignisse, Enteignung und Mord ist. Immer vorangetrieben von einer kleiner Gruppe wohlhabender Menschen in dem Versuch ihre Macht auszuweiten und ihren Reichtum zu vergrößern.
Um die Landwirtschaft profitabler zu machen, vertrieben Großgrundbesitzer in England des 16. und 17. Jahrhunderts die bäuerliche Landbevölkerung von den Ländereien, auf denen sie seit vielen Generationen wirtschafteten und lebten. Dadurch verloren sie die Möglichkeit sich selbst zu versorgen und mussten fortan lebenswichtige Güter auf dem Markt kaufen. Das zwang sie zur Lohnarbeit. [8]

Im 18. Jahrhundert sorgte dann die Ausbeutung von Sklaven auf amerikanischen Baumwollplantagen dafür, dass den Wohlhabenden plötzlich massenhaft billige Baumwolle zur Verfügung stand. Um damit ihren Reichtum zu steigern, bauten sie in England große Fabriken in denen sie massenhaft billige Textilien herstellten. Damit konnten die bislang selbstständigen Weber nicht mehr mithalten und gingen bankrott. Dadurch waren auch sie dazu gezwungen in den Fabriken gegen einen Lohn zu arbeiten. [9]
Die jahrhundertelange illegale Enteignung und wirtschaftliche Zerstörung des Handwerks konzentrierte großen Reichtum – in Form des Privateigentums – in wenigen Händen und förderte die Entwicklung der Klassengesellschaft: Heute besitzen Kapitalist:innen alle Produktionsmittel wie Land, Maschinen und Fabriken und mehren ihren Reichtum, während Arbeiter:innen, ohne eigene Produktionsmittel, ihre Arbeitskraft an die Kapitalist:innen verkaufen müssen. [7]
Warum Arbeiter:innen Mehrwert erzeugen und Kapitalist:innen Gewinn machen müssen
Um Güter und Dienstleistungen herzustellen, müssen Kapitalist:innen zunächst Investitionen tätigen. Sie kaufen Rohstoffe, schaffen Maschinen an und stellen Arbeiter:innen ein. In einer kapitalistischen Gesellschaft, in der die Mehrheit gezwungen ist ihre Arbeitskraft für ihr eigenes Überleben zu verkaufen, finden Kapitalist:innen meist mühelos geeignetes Personal. Anschließend werden die hergestellten Güter auf dem Markt verkauft.
Das Ziel der Kapitalist:innen ist es zunächst die anfangs getätigten Investitionen wieder über den Verkauf der Produkte wieder reinzuholen. Da die Kapitalist:innen kein Wohltätigkeitsverein sind müssen sie zusätzlich einen finanziellen Überschuss – einen Gewinn – erwirtschaften. Dies ist unerlässlich um sich selbst ein Gehalt zu zahlen und genügend finanzielle Mittel für zukünftige Investitionen in neue Technologien oder der Ausweitung der Produktion zu erhalten.
Der Gewinn entsteht aus dem Mehrwert, den die Arbeiter:innen erzeugen. Es ist die Differenz zwischen dem Verkaufspreis der Produkte und den Kosten ihrer Produktion. [7]
Stellen wir uns beispielsweise vor eine Möbelfabrik produziert einen Tisch, den sie gewinnbringend auf dem Markt verkaufen möchte. Dafür investieren die Kapitalist:innen zunächst 20 EUR in Holz, 10 EUR in Maschinen und zahlen 30 EUR an Löhne. Insgesamt betragen die Produktionskosten 60 EUR.
Nun verkaufen die Kapitalist:innen den Tisch für 100 EUR. Der Mehrwert entsteht aus der Differenz zwischen den Verkaufserlösen und den Produktionskosten: 100 Euro (Verkaufspreis) minus 60 Euro (Produktionskosten) ergibt einen Profit von 40 Euro.
In diesem Beispiel erzeugen die Arbeiter:innen einen Mehrwert von 40 Euro, der als Profit an die Kapitalist:in fließt. Die Arbeiter:innen bekommen zwar Lohn, aber der zusätzliche Wert ihrer Arbeit, hier 40 Euro, wird als Gewinn von der Kapitalist:in einbehalten.
Der Wettbewerb auf dem Markt senkt die Verkaufspreise

Gesteuert wird die kapitalistische Wirtschaft über den Markt. Dieser ist jedoch kein idyllischer Ort. Vielmehr ist er Schauplatz schärfster Konflikte.
Der Markt ist der Ort an dem alle Kapitalist:innen aufeinandertreffen, um ihre Waren und Dienstleistungen zu verkaufen und einen möglichst hohen Profit zu erwirtschaften. Ihr Erfolg hängt davon ab sich gegen ihre Konkurrent:innen durchzusetzen. Das gelingt ihnen, wenn sie es schaffen, Kund:innen davon zu überzeugen ihr Produkt dem der Konkurrenz vorzuziehen.
Am ehesten gelingt ihnen das, indem sie ihre Waren billiger oder in besserer Qualität zum gleichen Preis anbieten. So konzentriert sich der Wettstreit der Kapitalist:innen um die Gunst der Kund:innen hauptsächlich auf die Aspekte Preis und Qualität. [7]
Wie die Konkurrenz auf dem Markt die gesamte Produktion beeinflusst
Der Zwang die Preise zu senken, stellt die Kapitalist:innen vor große Herausforderungen. Weil die Kosten für Löhne, Mieten und Rohstoffe gleich bleiben, sorgen niedrige Verkaufspreise für einen geringeren Profit. Ein zu niedriger Profit kann jedoch dazu führen, dass die Kapitalist:innen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können oder es keinen Sinn mehr macht das Produkt weiter herzustellen. Die Kapitalist:innen werden dann gezwungen sein die Produktion einzustellen. Um dies zu vermeiden müssen sie das Schrumpfen der Profite aufhalten.

Der einzige Weg die Profitabilität bei sinkenden Verkaufspreisen sicherzustellen, ist es die Kosten der Produktion zu senken. Das bedeutet aber nicht, dass Kapitalist:innen nur darauf aus sind die niedrigsten Löhne zu zahlen, die günstigsten Rohstoffe einzukaufen oder die billigsten Maschinen anzuschaffen. Schließlich nützt es ihnen nichts, wenn die Maschinen ständig kaputt sind, die Rohstoffe von schlechter Qualität sind oder die Arbeiter:innen nicht das notwendige Vorwissen haben, um die Maschinen zu bedienen.
Kapitalist:innen achten daher nicht nur auf einen günstigen Einkaufspreis. Sie müssen auch sicherstellen, dass das Gekaufte so produktiv wie möglich ist und den Standards der Konkurrenz entspricht oder übertrumpft. Kurz: Sie sind stets darum bemüht das beste Geschäft zu machen.
Die Auswirkungen des marktgetriebenen Konkurrenzkampfes zwischen den Kapitalist:innen formen den gesamten Produktionsprozess und erfordern Anpassungen in jedem Schritt. Angefangen von der Beschaffung der Ausgangsmaterialien bis hin zum Marketing. [7]
Der Markt sorgt für unendliches Wirtschaftswachstum
Im andauernden versuch sich gegenseitig zu übertrumpfen sind die Kapitalist:innen gezwungen stets produktiver als die Konkurrenz zu sein. Das heißt: Wenn sie auf dem Markt überleben wollen, müssen sie immer schneller, immer mehr Waren produzieren, und diese auf dem Markt gegen einen möglichst hohen Profit verkaufen. Dadurch wachen die Warenberge an [10, 11] und die Wirtschaft wächst ins unendliche. [12]

Die Fast Fashion Industrie illustriert deutlich die Problematik des Wirtschaftswachstums und der damit einhergehenden Zunahme von Warenbergen. Diese Unternehmen produzieren wöchentlich, teils sogar täglich, neue Kollektionen in hohen Stückzahlen. Das führt dazu, dass im Jahr 2020 weltweit rund 200 Milliarden Kleidungsstücke produziert wurden – etwa doppelt so viel wie im Jahr 2014. Verkauft wurden hingegen „nur“ 160 Milliarden.
Weil die Industrie nicht nach Bedarf, sondern nur produziert, um Profite zu machen, wird ein Großteil der verkauften Kleidung überhaupt nicht getragen und irgendwann im Müll landet. Diese irrationalen Unternehmensentscheidungen sorgen nicht nur für massive Umweltprobleme, sondern auch für die unnötige Verschwendung von Arbeitskraft. [13]
Warum der Wettbewerb auf dem Markt die wirtschaftliche Unsicherheit von Angestellten erhöht

Arbeiter:innen und Kapitalist:innen tragen gemeinsam zum Unternehmensgewinn bei. Trotzdem begegnen sich beide nicht auf Augenhöhe.
Das liegt an der wirtschaftlichen Unsicherheit der Arbeiter:innen. Während Kapitalist:innen leicht an Kredite kommen, Großgrundbesitz haben oder umfangreiche Aktiendepots besitzen, mit denen sie jederzeit Einkommen generieren können, besitzen Arbeiter:innen nichts dergleichen. Um über die Runden zu kommen, sind sie darauf angewiesen einen Job in den Unternehmen der Kapitalist:innen zu finden und diesen auch zu behalten.
Dadurch befinden sich die Arbeiter:innen gegenüber den Kapitalist:innen in einer benachteiligten Verhandlungsposition. Das erlaubt den Kapitalist:innen die Arbeitsverträge zu ihrem Vorteil und zum Nachteil der Arbeiter:innen zu gestalten.
In ihrem ständigen Bemühen auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben, sind die Kapitalist:innen gezwungen, die Produktivität kontinuierlich zu steigern. Da die Verhandlungsposition der Arbeiter:innen schwach ist landen die Gewinne aus der gesteigerten Produktion in den Taschen der Kapitalist:innen, die dieses Geld so verwenden können, wie sie es für richtig halten.

Weil eine gesteigerte Produktivität bedeutet, dass mehr Güter mit weniger Personal hergestellt werden können, führt das zu einer erhöhten Arbeitsplatzunsicherheit. Da Arbeiter:innen nur solange einen Job haben, solange es den Kapitalist:innen gefällt können sie regelmäßig Arbeiter:innen entlassen, um Kosten zu sparen. Die drohende Gefahr der Arbeitslosigkeit verschlechtert die Verhandlungsposition der Arbeiter:innen weiter und erhöht ihre wirtschaftlich unsichere Lage. Das allseits gepriesene Wirtschaftswachstum sorgt nicht nur für neue Jobs, es verstärkt zugleich die wirtschaftliche Unsicherheit der Arbeiter:innen. [7]
Warum Kapitalist:innen bestimmen, wie die Bevölkerung lebt

Die kapitalistische Marktlogik beeinflusst nicht nur die Arbeitswelt, sondern wirkt sich tiefgreifend auf das private Leben der Arbeiter:innen aus. Die wirtschaftliche Unsicherheit und niedrigen Löhne beeinflussen, wie die Menschen wohnen, welche Nahrungsmittel sie zu sich nehmen oder ob sie am kulturellen Leben teilhaben können.
Wenn Kapitalist:innen ihre Arbeiter:innen dazu antreiben schneller, härter oder länger zu arbeiten hat das erhebliche Auswirkungen auf ihre freie Zeit. Überstunden oder Erschöpfung verkürzen die Zeit, die Arbeiter:innen ansonsten für Hobbys, dem Entwickeln neuer Talente oder für Freunde und Familie verwenden könnten. Stattdessen müssen sie ihre knappe Freizeit zur Erholung und zur Behandlung von Stress und gesundheitlichen Problemen nutzen.
(Die wirtschaftlichen Entscheidungen der Kapitalist:innen haben damit Auswirkungen auf das gesamte Privatleben der Arbeiter:innen.) [7]
Die Zerstörung unserer Lebensgrundlage durch Marktkonkurrenz und Profitstreben

Immer wenn Menschen etwas produzieren werden Ressourcen und Energie benötigt. Das ist immer mit Umweltauswirkungen und dem Ausstoß von Emissionen verbunden. [4] Gegenüber anderen Produktionsweisen zeichnet sich der Kapitalismus durch ein stark beschleunigtes Wachstum in der Herstellung von Waren und Dienstleistungen aus.
Getrieben vom Profitmotiv, müssen Kapitalist:innen ständig produktiver werden und Kosten senken, was oft durch schnelle und massenhafte Produktion billiger Waren erreicht wird. Dies steigert den Verbrauch von Ressourcen und Energie erheblich. Der Konkurrenzdruck zwingt Kapitalist:innen dazu die Produktionkosten niedrig zu halten. Das führt zur Vernachlässigung des Umweltschutzes und dazu die Natur sowohl als Gratisquelle für Rohstoffe, Energie und Boden als auch als kostenlose Deponie für Schadstoffe, Abfälle und Abgase aller Art zu nutzen.
Dementsprechend sind seit dem Beginn des Kapitalismus vor ungefähr 200 Jahren die CO²-Konzentration und die Aussterberate stark angestiegen, was mittlerweile ein Niveau erreicht hat, das ohne schnelles Eingreifen die menschliche Existenz ernsthaft bedroht. [10, 11]
Weshalb der Staat finanziell vom Wirtschaftswachstum abhängig ist
In kapitalistisch organisierten Gesellschaften herrscht eine klare Trennung zwischen Wirtschaft und Politik. Die Aufgabe der Kapitalist:innen – also diejenigen die Unternehmen besitzen – kümmern sich um die Herstellung von Waren und das Anbieten von Dienstleistungen. Der Staat hingegen sorgt dafür, dass die Kapitalist:innen ungestört ihre Profite erwirtschaften können. Dazu legt der Staat Regeln in Form von Gesetzen fest und sorgt für Ordnung, damit alles reibungslos läuft.
Damit der Staat seine Programme, Institutionen und Angestellten bezahlen kann benötigt er ein regelmäßiges Einkommen. Da er in der Regel kaum eigene Unternehmen besitzt, mit denen er ein Einkommen erwirtschaften könnte, erhebt er Steuern auf das Einkommen von Unternehmen, Löhne oder den Konsum von Waren und Dienstleistungen.
Das staatliche Einkommen ist somit direkt von den Investitionsentscheidungen privater Unternehmer:innen abhängig. Wenn neue Betriebe gegründet werden, Unternehmen expandieren, mehr Waren und Dienstleistungen verkauft werden gibt es mehr Löhne und Profite, auf die der Staat Steuern erheben kann. Der kapitalistische Staat ist somit von einer wachsenden Wirtschaft abhängig, die wiederum von den Investitionen privater Akteure bestimmt wird. [7]
Die Investitionsfreiheit der Kapitalist:innen: Wenn sie wollen, wächst die Armut

Da Kapitalist:innen mit ihrem Geld machen können was sie wollen, sind sie nicht dazu gezwungen ihre Profite wieder neu zu investieren. Sie haben jederzeit die Möglichkeit ihre Investitionen zu drosseln, in andere Staaten zu verlagern, ganz einzustellen oder ihr Vermögen in Wertpapieren zu parken.
Wenn Kapitalist:innen entscheiden ihre Investitionen zurückzufahren oder gänzlich einzustellen hat das verheerende Folgen für die Gesellschaft. Ein Rückgang der Produktion in den Unternehmen führt zu einem geringeren Bedarf an Arbeitskräften und einem Abschwung des Konsums. Das wiederum führt zu sinkenden Staatseinnahmen und einer Zunahme der Arbeitslosigkeit. In der Folge verfestigt sich die Armut in der Gesellschaft und der allgemeine Lebensstandard fällt. [7]
Warum der Kapitalismus undemokratisch ist und allein die Wirtschaft politische Macht hat

Politiker:innen und Parteien, die in wirtschaftlich schlechten Zeiten regieren, haben Probleme ihre Wiederwahl zu sichern. Um dies zu vermeiden pflegen sie in der Regel einen engen Austausch mit den Kapitalist:innen und ihren Vertreter:innen. Schließlich müssen sie sicherstellen, dass ihre politischen Vorhaben in der Wirtschaft als akzeptabel gelten. Umgekehrt können Kapitalist:innen ihre immensen finanziellen Ressourcen dazu nutzen ihren politischen Einfluss zu verstärken.
Obwohl die privaten wirtschaftlichen Entscheidungen der Kapitalist:innen unser aller Leben maßgeblich bestimmen, haben Bürger:innen und andere gesellschaftliche Gruppen keine politische Macht über die Wirtschaft.
Um nicht in Armut zu leben sind wir gezwungen so lang und so hart zu arbeiten, wie es die Kapitalist:innen vorgeben. Zudem fehlt uns jegliche Mitsprache bei der Festlegung, welche Produkte die Unternehmen herstellen, in welcher Menge sie produziert werden und wie sie gefertigt werden.
All diese Entscheidungen treffen Kapitalist:innen – Menschen, die durch den Konkurrenzdruck auf dem Markt ein direktes Interesse daran haben sowohl die Recht der Arbeitnehmer:innen als auch Umweltschutzmaßnahmen zu beschränken. [7]
Wie kann ein besseres Leben trotz Kapitalismus möglich werden
Es ist wichtig ein grundlegendes Verständnis über die Funktionsweise des Kapitalismus zu haben. Nur so können wir nachvollziehen, warum die Politik keine wirksamen Maßnahmen gegen soziale Ungleichheit und die Zerstörung unserer Lebensgrundlage ergreift: Sie stünden im Widerspruch zum kapitalistischen Wachstumszwang, würden die Unternehmensprofite schmälern und damit die staatlichen Einnahmen reduzieren.
Deshalb tendiert der Staat im Kapitalismus scheinbar automatisch dazu die Interessen der Unternehmen zu schützen. Das heißt aber nicht, dass der Staat niemals notwendige Maßnahmen gegen die Interessen der Kapitalist:innen umsetzt. Er setzt sie nur niemals von sich aus um.

Da die politische Macht in einer kapitalistischen Gesellschaft in der Wirtschaft verankert ist, genügt es nicht lediglich die „richtige“ Partei zu wählen oder auf der Straße zu demonstrieren. Um bedeutende gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen, muss die Machtbasis der Kapitalist:innen bedroht werden: Die Profite.
Sobald Kapitalist:innen ihre finanziellen Interessen gefährdet sehen, sind sie zu Kompromissen bereit. Dadurch öffnet sich der notwendige Spielraum für umfassenden gesellschaftlichen Wandel. Da es die Arbeiter:innen sind, die die Profite der Kapitalist:innen erwirtschaften, sind sie die einzigen gesellschaftlichen Akteure, die in der Lage sind, gesellschaftliche Wandel zu ermöglichen. [7]
Das kannst du tun:
1. Gewerkschaft beitreten
Werde Mitglied in einer Gewerkschaft, um dem Demokratiedefizit des
Kapitalismus etwas entgegenzusetzen.
2. Mitmenschen aufklären
Kläre Menschen über die negativen Aspekte des Kapitalismus und über die
Notwendigkeit einer starken Arbeiter:innenbewegung auf.
3. Spenden und engagieren
Unterstütze Genug ist Genug mit deiner Mitarbeit oder Spende, und helfe uns
dabei, die Arbeiter:innen-bewegung zu stärken.
Quellenangaben:
Quellen ausklappen
[1] Leinfelden-Echterdingen, K. M. G. (n.d.). Wirtschaft – warum wir wirtschaften müssen | wissen.de. wissen.de. https://www.wissen.de/bildwb/wirtschaft-warum-wir-wirtschaften-muessen
[2] Bundesumweltministeriums. (n.d.). Warum ist eine intakte Natur wichtig für uns Menschen und eine krisenfeste Gesellschaft? Bundesministerium Für Umwelt, Naturschutz, Nukleare Sicherheit Und Verbraucherschutz. https://www.bmuv.de/faq/warum-ist-eine-intakte-natur-wichtig-fuer-uns-menschen-und-eine-krisenfeste-gesellschaft
[3] Bildung, B. F. P. (2021, November 9). Bedürfnisse. bpb.de. https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/18801/beduerfnisse/
[4] Gast. (n.d.). Ressourcennutzung und ihre Folgen. Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/ressourcennutzung-ihre-folgen
[5] Bildung, B. F. P. (2021, June 23). Wirtschaften. bpb.de. https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/21151/wirtschaften/
[6] Schneider, C. T. G. (2023, March 30). Wirtschaft / Ökonomie. bpb.de. https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/321443/wirtschaft-oekonomie/
[7] Vivek Chibber, V. (2022). Das ABC des Kapitalismus. Brumaire Verlag. https://brumaireverlag.de/Das-ABC-des-Kapitalismus
[8] Nuss, S. (2019). Keine Enteignung ist auch keine Lösung: Die große Wiederaneignung und das vergiftete Versprechen des Privateigentums. Dietz Berlin. https://dietzberlin.de/produkt/keine-enteignung-ist-auch-keine-loesung/
[9] „Nicht länger nichts.“ Geschichte der Arbeiterbewegung (1/4). (o. D.). [Video]. ARTE.
[10] Bruschi, V. (2021, Juli). Karl Marx und das Klima: Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur – der Stoffwechsel – beschäftigte den Theoretiker und viele seiner Ansichten dazu sind bis heute gültig. OXI - Wirtschaft anders denken.
[11] Krämer, R. (2015). Kapitalismus verstehen: Einführung in die politische Ökonomie der Gegenwart. VSA: Verlag Hamburg. https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/VSA_Kraemer_Kapitalismus_verstehen_Netz.pdf
[12] Nachtwey, O., Thaa, H. & Ivanova, M. (2022). Kapitalismus und Kapitalismuskritik. Campus Verlag. https://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/soziologie/kapitalismus_und_kapitalismuskritik-17335.html
[13] Weiland, M. (2021, November 23). Wie umweltfreundlich ist die Textilindustrie? Greenpeace. https://www.greenpeace.de/engagieren/nachhaltiger-leben/umweltfreundlich-textilindustrie
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