Gewerkschaften: Warum es sich lohnt Mitglied zu werden
- Genug ist Genug Team
- 10. Jan. 2024
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Mai 2024

Millionen Menschen sind am Ende des Monats im Minus oder leiden durch den hohen Arbeitsdruck an gesundheitlichen Problemen. Um ihre Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern, müssen die Löhne spürbar erhöht, die Arbeitsplätze sicherer und die wöchentliche Arbeitszeit reduziert werden. Dies schaffen wir nur, wenn mehr Angestellte und Arbeiter:innen in Gewerkschaften eintreten. In diesem Artikel erfährst du was Gewerkschaften sind und wie du Mitglied werden kannst.
Was sind Gewerkschaften?
Eine Gewerkschaft ist eine Organisation, in der sich Arbeiter:innen und Angestellte zusammengeschlossen haben, um gemeinsam ihre wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen zu vertreten. [1]
Die Arbeit von Gewerkschaften konzentriert sich vor allem darauf, die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder zu verbessern. Gewerkschaften kämpfen zum Beispiel für höhere Löhne, mehr Urlaub, die Sicherung von Arbeitsplätzen oder eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit. Dazu werden mit Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Unternehmen Tarifverträge ausgehandelt. [2] Sie helfen auch bei Problemen am Arbeitsplatz, indem sie ihre Mitglieder beraten und bei Bedarf Rechtsanwält:innen vermitteln. [1]
Darüber hinaus beeinflussen Gewerkschaften politische Entscheidungen. Sie fordern zum Beispiel Gesetze zur Verbesserung des Arbeitsschutzes, einen höheren Mindestlohn [1] oder dass die auf ein Wochenende fallenden Feiertage nachgeholt werden. [3]
Welche Erfolge können Gewerkschaften vorweisen?

Mit dem Aufstieg des Kapitalismus ab dem 18. Jahrhundert kam es zur sogenannten industriellen Revolution. [4] Produkte, die bisher in Handarbeit hergestellt wurden, wurden nun von großen Maschinen in den neu aufkommenden Fabriken gefertigt. [5]
Die Arbeit in den Fabriken war hart und gefährlich. Arbeitsunfälle waren an der Tagesordnung, die Löhne niedrig und ein Arbeitstag dauerte zwölf bis sechszehn Stunden. [4] Arbeiter:innen und ihre Familien arbeiteten und lebten unter elenden Bedingungen. [5]
Unzufrieden mit ihrer Situation fingen Arbeiter:innen an, sich zu organisieren und gründeten Gewerkschaften. Sie forderten mehr Freizeit [6] und gute Löhne. In den darauffolgenden Jahrzehnten führten unzählige Arbeitskämpfe und Streiks zu bedeutenden Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen der Bevölkerung. [5]
Darunter befinden sich viele Errungenschaften, die noch heute unsere Arbeitswelt prägen: Der Acht-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich; die Fünf-Tage-Woche; Lohnfortzahlung im Krankheitsfall; Anspruch auf bezahlten Urlaub und vieles mehr. Außerdem kämpfen Gewerkschaften seit mehr als 150 Jahren dafür, dass ihre Mitglieder gute Löhne erhalten. Ohne Gewerkschaften gäbe es zudem keinen flächendeckenden Mindestlohn, [5] keine gesetzlich verankerte Mitbestimmung im Betrieb [7] und auch kein allgemeines Wahlrecht. [4]
Warum die Gewerkschaften heute an Macht eingebüßt haben
Die Macht der Gewerkschaften speist sich aus der Anzahl ihrer Mitglieder. Doch die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder ist rückläufig. Hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund 1991 noch 12 Millionen Mitglieder, waren es im Jahr 2021 nur noch 5,7 Millionen. [5] Dadurch hat die Macht der Gewerkschaften spürbar abgenommen und mit ihr die Möglichkeit, gute Arbeits- und Lebensbedingungen zu erkämpfen. [8]
Einige der Hauptgründe für die gegenwärtige Krise der Gewerkschaften liegen im zunehmenden Individualismus und der Ich-bezogenen Mentalität innerhalb der Gesellschaft, dem schwindenden Vertrauen in politische Akteurinnen und Akteure sowie der allgegenwärtigen Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes. Viele dieser gesellschaftlichen Herausforderungen ergeben sich aus dem Wandel der kapitalistischen Produktionsmethoden und den innovativen Strategien zur Profitmaximierung, die sowohl bewusst als auch unbewusst von Unternehmen und Superreichen gefördert wurden – oft mit dem Ziel, die Macht und den Einfluss der Gewerkschaften zu brechen. [8]
Warum es wichtig ist, Gewerkschaftsmitglied zu sein

Nur sehr wenig Angestellte sind so unverzichtbar für Unternehmen, dass sie in der Lage sind, für sich höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen mit dem Chef auszuhandeln. In der Regel sind das diejenigen mit einem seltenen produktspezifischen Fachwissen.
Für gewöhnlich sind die allermeisten Arbeiter für Unternehmen jedoch leicht austauschbar. Unternehmen können ihren Angestellten deshalb ohne Weiteres die Löhne und Arbeitsbedingungen vorschreiben. Um ihre Mieten, Lebensmittel oder andere Dinge des täglichen Bedarfs bezahlen zu können, bleibt Arbeiter:innen meist nichts anderes übrig, als unfaire Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen zu akzeptieren.
Eine einzelne Arbeiterin allein kann an dieser Situation in der Regel nicht viel ändern. Anders sieht es aus, wenn sich Arbeiter:innen zusammentun und dem Management geschlossen gegenübertreten. Denn, während eine einzelne Arbeiterin leicht ersetzt werden kann, können viele Arbeiterinnen nur schwer auf einen Schlag ersetzt werden.
Die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften speist sich genau aus diesem Prinzip. Je mehr Mitglieder die Gewerkschaften haben, desto besser sind ihre Möglichkeiten, höhere Löhne und gute Arbeitsbedingungen zu erkämpfen.
Wie setzen Gewerkschaften ihre Forderungen durch?

Wenn Gewerkschaften zusammen mit den Beschäftigten angemessene Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen wollen, müssen sie mit dem Unternehmen oder Arbeitgeberverbänden Tarifverträge aushandeln.
Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, rufen Gewerkschaften während Tarifverhandlungen oftmals zu zeitlich begrenzten Warnstreiks auf. Dadurch soll der Unternehmensseite gezeigt werden, dass die Beschäftigten bei Bedarf entschlossen sind auch härtere Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen.
In der Regel sind Tarifverhandlungen aber erfolgreich und unbefristete Streiks können vermieden werden. Sollten die Verhandlungen jedoch scheitern, weil sich die Unternehmen weigern, ihren Mitarbeiter:innen bessere Arbeitsbedingungen anzubieten und faire Löhne zu bezahlen, dann kann die Gewerkschaft zu einem unbefristeten Streik aufrufen.
Ein solcher Erzwingungsstreik ist ein sehr wirksames Mittel, um Unternehmen davon zu überzeugen, den Forderungen ihrer Mitarbeiter:innen nachzugeben. Schließlich ist jeder Tag, an dem die Angestellten nicht auf der Arbeit erscheinen, mit hohen Kosten für das Unternehmen verbunden. Im Konkurrenzkampf auf dem Markt ist das ein entscheidender Wettbewerbsnachteil.

Weil ein unbefristeter Streik aber auch für die Angestellten mit Entbehrungen verbunden ist, muss die Gewerkschaft sicherstellen, dass er auch von der Mehrheit der Mitglieder unterstützt wird. Vor einem Erzwingungsstreik gibt es daher eine Urabstimmung. Nur wenn mindestens 75 Prozent der abstimmenden Mitglieder für eine Arbeitsniederlegung stimmen, darf die Gewerkschaft zu einem unbefristeten Streik aufrufen.
Ruft die Gewerkschaft nach einer erfolgreichen Urabstimmung zu einem unbefristeten Streik auf, darf sich aus rechtlicher Sicht grundsätzlich jeder zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer an dem Streik beteiligen. Eine Gewerkschaftsmitgliedschaft ist dafür nicht notwendig. [9] Im Gegensatz zu Gewerkschaftsmitgliedern werden ihre Verdienstausfälle jedoch nicht mit einem Streikgeld der Gewerkschaft abgemildert, das üblicherweise bei 2/3 des Bruttolohns liegt. [10]
Während eines unbefristeten Streiks können weiterführende Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und den Arbeitgebern stattfinden. Falls ein neues Angebot unterbreitet wird, hängt die Beendigung des Streiks davon ab, ob die Mehrheit der Arbeitnehmer dieses Angebot als annehmbar betrachtet. Zur Entscheidung über die Fortsetzung des Streiks erfolgt eine Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern, um ihre Zustimmung zum erzielten Verhandlungsergebnis zu ermitteln. Der Streik wird nur dann weitergeführt, wenn eine Mehrheit von mindestens 75 Prozent der abstimmberechtigten Mitglieder sich für die Weiterführung der Arbeitsniederlegung aussprechen. Ist dies nicht der Fall gilt der Streik automatisch als beendet.
Der frisch ausgehandelte Tarifvertrag wird für einen bestimmte Gültigkeitsdauer festgesetzt und gilt rein rechtlich nur für Gewerkschaftsmitglieder. Weil Unternehmen jedoch um jeden Preis verhindern wollen, dass Gewerkschaften durch massenhafte Mitgliederzuläufe noch mächtiger werden, übertragen sie das neue Tarifergebnis auch auf nichtorganisierte Angestellte. [11, 12]
Welche Gewerkschaften gibt es?

Die meisten Mitglieder hat in Deutschland der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Unter seinem Dach sind die acht bekanntesten Gewerkschaften Deutschlands zusammengeschlossen:
IG Metall (IGM)
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE)
IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU)
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
Gewerkschaft der Polizei (GdP)
Neben dem DGB gibt es auch den Dachverband DBB Beamtenbund und Tarifunion (1,3 Millionen Mitglieder) und den Christlichen Gewerkschaftsbund (280.000 Mitglieder). [13] Hinzu kommen einige kleine Gewerkschaften wie zum Beispiel die basisdemokratisch organisierte Freie Arbeiter:innen-Union (FAU) mit schätzungsweise 1400 Mitgliedern.
Welche Pflichten gehe ich durch eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ein?

Die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ist nicht umsonst. Zur Finanzierung ihrer Leistungen, ihrer Öffentlichkeitsarbeit oder zur Deckung der Personalkosten erhebt die Gewerkschaft einen Mitgliedsbeitrag, der üblicherweise ein Prozent des monatlichen Bruttolohns beträgt. [13] Für Student:innen, Erwerbslose, Rentner:innen, Pensionär:innen oder Personen in Elternzeit gelten meist günstigere Mitgliedsbeiträge. [13, 15]
Im Falle von Streiks dient der Mitgliedsbeitrag auch dazu, die Verdienstausfälle abzumildern, indem die Gewerkschaft ihren Mitgliedern Streikgeld auszahlt. [13] Wenn deine Gewerkschaft zu einem Streik aufruft, du dem bestreikten Unternehmen aber trotzdem deine Arbeitsleistung anbietest, begehst du Streikbruch. Damit unterläufst du das Streikziel und du verhältst dich unsolidarisch gegenüber den streikenden Kolleg:innen. [16] Bei manchen Gewerkschaften können daher sogenannte Streikbrecher:innen die Gewerkschaftsmitgliedschaft verlieren. [17, 18]
Wie werde ich Gewerkschaftsmitglied?

Wenn du Mitglied einer Gewerkschaft werden möchtest, dann solltest du zunächst herausfinden, welche Gewerkschaft für dich zuständig ist. Dabei kommt es in erster Linie auf die Branchen an, in der du beschäftigt bist.
Die acht wichtigsten Gewerkschaften sind im Deutschen Gewerkschaftsbund zusammengeschlossen (siehe oben). Ein guter Anlaufpunkt ist daher die DGB-Webseite. Unter dem Punkt „Mitglied werden“ sind alle acht „Mitglied werden“-Formulare der DGB-Gewerkschaften verlinkt. Solltest du unsicher sein, welche Gewerkschaft für dich zuständig ist, kannst du ein Formular ausfüllen und erhältst Hilfe.
Nachdem du weißt, welche Gewerkschaft für dich zuständig ist, und du dich über die Leistungen und Pflichten für Mitglieder informiert hast, kannst du online den Mitgliedschaftsantrag ausfüllen. Dabei wird direkt auch die Höhe des Mitgliedsbeitrages berechnet, der in der Regel bei einem Prozent des monatlichen Bruttoverdienstes liegt.
Neben einigen personenbezogenen Angaben musst du im Regelfall den Namen deines Arbeitgebers, dein monatliches Bruttoeinkommen sowie die Kontodaten für den Beitragseinzug angeben.
Übrigens: Du bist nicht verpflichtet deinen Arbeitgeber über eine Mitgliedschaft zu informieren. Tatsächlich darfst du sogar lügen, wenn dein:e Chef:in dich danach fragt. Schließlich sehen Unternehmen nicht gerne, dass ihre Angestellten sich in Gewerkschaften organisieren.
Das kannst du tun:
Gewerkschaft beitreten
Werde Gewerkschaftsmitglied und kämpfe für bessere Arbeits- und
Lebensbedingungen.
2. Mitmenschen aufklären
Spreche mit Freund:innen und Verwandten über die Notwendigkeit von
Gewerkschaften.
3. Spenden und engagieren
Engagiere dich bei Genug ist Genug oder unterstütze uns mit einer Spende.
Quellenangaben:
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